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Cherie oder wie ich lernte, das französische Weißbrot zu hassen


"Cherie", säuselte die sanfte und sonore Stimme am anderen Ende der Leitung und die Härchen auf meinen Armen kräuselten sich und ein Schauern lief durch meine Nervenenden.
Da ich schon länger abstinent lebte, war ich für dieses Gesäusel mehr als empfänglich.Und Piääär, geboren in Fronkreisch, wusste seinen Charme zu nutzen. Zumindest verbal. Eigentlich nur verbal, wie sich später noch herausstellen sollte.

Ich machte mich also auf den Weg nach Freiburg, Kurzurlaub sozusagen, damit wir uns außerhalb der Singl-Plattform kennen lernen konnten.Das Tickett war sauteuer, aber Pierre meinte, bei ihm bräuchte ich kein Geld. Ich wäre ja schließlich eingeladen. Er wollte sich sogar am Fahrgeld beteiligen, wobei ich mir schon dachte, dass dieses Angebot rein rhetorischer Natur war.

Er war kein schöner Mann, aber ich muss gestehen, es mangelte ihm nicht an einer gewissen Attraktivität.Er war sexy.Allerdings seine Aussage, er hätte den Körper eines Zwanzigjährigen mit dem Kopf eines Sechzigjährigen stimmte nicht so ganz. Es passte schon alles gut zusammen. Der Körper hatte sich wohl im Laufe der Jahre an den Kopf angepasst, aber Pierre hatte es wohl noch nicht bemerkt. Aber so ist das manchmal mit der Selbstwahrnehmung!

Aber kommen wir zum französischen Weißbrot.
Pierre fragte mich am Telefon ob ich denn gerne Sekt trinke, denn er wollte mich mit einem kleinen Snack begrüßen.
Tja, der Sekt fiel bei diesem Snack schonmal aus. Aber es gab Baguette, etwas verschimmelten Käse, was ich leider zu spät sah, da ich meine Brille nicht trug.Dazu gab es ein paar Cherry-Tomaten und Radieschen.
Ich bin froh, dass ich bei der Ankunft nicht alles aufgegessen hatte, denn dieses Menue musste für vier Tage reichen.
Am Abend spendierte er eine Flasche Rotwein(Er hatte vergessen, dass ich lieber Weißwein trinke) und ein paar Schokolinsen.
Für den ersten Abend hat das auch gereicht. Ich war eh zu aufgeregt zum Essen.

Als ich am nächsten Morgen aufstand, saß Pierre auf dem Balkon, rauchte einen Joint und trank eine Tasse Kaffee.Nachdem ich mir das eine Weile angesehen hatte und in punkto Frühstück passierte nicht, fasste ich mir ein Herz und fragte zaghaft, ob er denn morgens nicht frühstücke. Nein, erwiderte er, du denn?
Ich sollte mir ruhig nehmen was ich bräuchte, Frühstück könne ich ja wohl allein machen.Er habe Baguette aufgetaut.
Im Kühlschrank fand ich dann Käse, der nicht angeschimmelt war.

Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg zu dem Piknik, dass er mir versprochen hatte. Er packte seinen Rucksack und wir zogen los zu einem Spaziergang an die Dreisam, ein nettes Flüsschen, das sich durch Freiburg zieht. Irgendwann gegen mittag bekam ich Hunger. Ich freute mich auf ein lecker Piknik, wurde aber bitter enttäuscht. Als er den Rucksack auspackte, kam der Rest Baguette vom Frühstück zum Vorschein,ein Stück Käse, drei Scheiben Salami, 5 Coktailtomaten und drei Radieschen. " Du magst sicher keine Salami" meinte er und belegte ein Stück tockenes Weißbrot mit de drei Scheiben Salami.
Mir blieb der Käse.Naja, dachte ich mir, ich will ja sowieso noch etwas abspecken.Ich aß immer nur soviel, bis der Sättigungsgrad gerade erreicht und das Hungergefühl nicht mehr zu spüren war.

Als wir am Abend zurück waren knurrte mein Magen schon wieder, aber Pierre machte keine Anstalten irgend etwas zu kochen. Er drehte sich einen Joint und schaltete den Fernseher ein. Ich konnte es nicht fassen.Dann schlief er ein.
Als er nach einer Stunde aufwachte, wahrscheinlich vom lauten Knurren meines Magens, fragte ich ihn, ob er nicht ein paar Eier hätte, weil mein Magen etwas warmes bräuchte.So gab es Spiegelei mit vorsorglich aufgetautem Baguette, drei Coktailtomaten und einem Radieschen.
Ich lies das Gemüse liegen, was auch gut war, wie sich am nächsten Abend herausstellte.


Am nächsten Tag besuchten wir einen See. Das Wetter war traumhaft, der See voller Entengrütze und mein Magen knurrte.Ich überlegte, ob ich das eingepackte Weißbrot an die Enten verfüttern sollte, aber der Hunger lies es mich doch selber essen.
Am Vortag hatte Pierre mir versprochen, dass wir am Abend griechisch essen gehen würden, was mich sehr versöhnlich und fröhlich stimmte.
Als wir wieder nach Hause kamen, drehte Pierre sich erstmal einen Joint und schaltete die Glotze an und schlief ein. Es wurde später und später und ich dachte an Gyrus mit Zatziki. Endlich erwachte er, rieb sich die Augen und meinte:" Ich mach dann gleich mal einen Salat, habe noch einen Kopfsalat im Kühlschrank, der gegessen werden muss." Was ist mit griechisch essen, fragte ich, worauf er erwiderte, das müsse doch nicht sein, oder?
Hier kamen dann die restlichen drei Coktailtomaten und das einsame Radieschen ins Spiel. Die wurden dann noch kurzerhand in den grünen Salat geschnippelt und dazu gab es Baguette. Rülps!

Am nächsten Morgen war die Rückfahrt angesagt. Ich ließ das Frühstück ausfallen und aß mich beim Zwischenstop am Mannheimer Bahnhof mal wieder richtig satt.


Gabi Gayk



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