Die Geburt des Bluesstammtisch Dortmund
(Rede zum 5. Geburtstag des Bluesstammtisch Dortmund im Cafe Einstein)
Wie bei allen Anfängen wirklich großer gesellschaftlicher Bewegungen – oder wie bei einer
normalen Geburt – liegen die Einzelheiten im Verborgenen; oder werden legendenhaft
verklärt. Ich will heute versuchen, etwas Licht in die Anfänge des Dortmunder Bluesstammtisches
scheinen zu lassen, wenn auch eine kleine Kerze reichen sollte, denn so ganz aufhellen wollen wir die Sache natürlich nicht.
Es begann vor 5 Jahren im Dortmunder Punk-Cafe´ Banane:
Den Sommer hatten wir im Biergarten verbracht. Jeden Tag, den ganzen Tag.
Jetzt saßen wir wieder drinnen. Die Melancholie des Winters hatte sich mit unser
grundsätzlichen Melancholie verwoben, wir hatten – außer bei ein paar Demos mitzulatschen -
keine unsere Vorhaben umgesetzt und , ehrlich gesagt, hatten wir diesen Sommer
auch keine Vorhaben.
Das wir zum Biergarten 3 m weitergehen mußten als jetzt, empfanden einige schon als
genug Aktivität; sagten sie jedenfalls.
So ziellos es auch war, war es doch der Nährboden für ein gigantisches Projekt
namens Bluesstammtisch Dortmund
und tatsächlich kam eines Tages Bewegung in die Szenerie:
Lutz, auf einem Ohr wirklich taub, auf dem anderen entschied er von Fall zu Fall selbst, war meistens als erster im Cafe´ und hatte seinen Lieblingsplatz direkt unter den Lautsprecherboxen schon eingenommen, als der übrige Verein so nach und nach erschien.
Und irgendwann schob Bernd Rohde (später als Dr. Blues bekannt) die Tatsache, daß er nie richtig was versteht und auch zunehmend nervöser wurde, auf das Metal- und Punk-Gedudel, das pausenlos aus diesen Boxen über unserem Tisch auf uns einhämmerte.
Blues-Musik,meinte er, würde ihn versöhnlich stimmen, aber die würde ja hier nicht gespielt.
Großes Schweigen, weil das Problem ja schon länger bestand und sich alle fragten, warum gerade
jetzt Einer die Nerven verliert.
Lutz verstand nur bruchstückhaft und sagte mit der Weisheit des Altkiffers: "ja,ja. … wir sollten
Blues spielen" und gröhlte wieder "Er hat ein knallrotes Gummiboot..."
Wer auf die Idee kam, gleich einen ganzen Abend Blues -Musik zu spielen, weiß ich nicht mehr; paßt aber zu den Übertreibungen, die Nichtstuer so an sich haben, wenn sie Pläne schmieden.
Christina, die Wirtin, war aber erst dann einverstanden, am letzten Freitag im Monat einen Abend nur mit Blues-Musik durchzuführen, als Dr. Blues ihr vorlog, auch Eric Clapton würde persönlich vorbeikommen.
Daß die Technik in der Banane nicht wirklich dafür ausgelegt war und auch nicht funktionierte
wurde schnell klar. Wolfgang, von dem man nie wußte ob er schläft oder nachdenkt, kannte von
seinen späten Tresen-Einsätzen einen gewissen Marco, der für Technik und Musik , entweder seine
Seele verkauft haben soll oder einfach nur die Bedienung beeindrucken wollte.
Die ersten drei/vier Bluesabende überspringen wir besser, weil es im Grunde das war, was wir immer gemacht hatten, nur jetzt auch noch abends und jetzt eben mit Blues-Musik;
und daß Didi Minou, die ihren ständigen Aufenthalt tagsüber im Cafe´ damit rechtfertigte, daß ihre beiden Kinder in der Kita seien und sie ein Recht auf Entspannung hätte, nun auch noch Weizenbier trank und – weil sie nicht auf Blues stand - ununterbrochen ihre Theorie über die Iluminaten und
andere geheimen Drahtzieher dieser Welt unters Volk bringen mußte.
Marco, der zunächst das Gefühl des Gebrauchtseins sichtlich genoß, wurde mit jedem Bluesabend
angespannter; stand er als Techniker doch mitten zwischen den Frontlinien aus den Metal-Jungs am Tresen und den alten Herrn der Blues-Gemeinde im hinteren Raum. Die Metaller wollten ihr
Gebiet nicht kampflos räumen und legten immer wieder boshaft ihre Gedudel-CD ´s in den einzigen
funktionierenden Player, wenn unsere Blues-CD mal wieder zuende war. Auch ein Umstöpseln der
Lautsprecherboxen und ein zweiter Player und alle Friedensbemühungen halfen nicht dauerhaft.
Christina, die Wirtin, erfreute sich an dem Schauspiel, war sie doch als Serbin an kriegerische
Auseinandersetzung gewohnt.
Das einzige, mickrige Plakat an der schmalen Eingangstür war genauso überfordert wie wir und
so neigte sich das Projekt dem Ende entgegen.
Doch dann geschah das Wunder:
Mit offenem Haar schwebte Herwig Schmidt von der Decke des Cafe´s in den Raum und
verkündete die Botschaft: "Wir sind nicht offen genug, Freunde !! " und verschwand wieder,
denn er taugte nicht zum Tagesgeschäft und hatte wohl auch noch nicht genug geschlafen.
Lutz war begeistert, weil es wieder was zum spielen gab;und dann ....... baute sich eine unglaubliche Welle von man-power in dem kleinen Cafe´ auf!
Jeder ließ sich anstecken und schmiß seine geheimsten Fähigkeiten und Ziele auf die Ladefläche des klapprigen Lastwagens mit der Aufschrift "Dortmunder Bluesstammtisch".
Am Ende schenkte Dr. Blues vor lauter Begeisterung dem Stammtisch seine schon fertige
Intenet-Seite, die seine kongeniale Freundin Frauke eigentlich für ihn und sein Ego entwickelt hatte
Norbert Ripke, der als Kellner in der Banane die Gäste ständig mit Zitaten aus Literatur und
Film erheiterte, sprang auch noch auf den Lastwagen und fuhr damit in ein Land, das Blues & Lyrics genannt werden sollte.
Ich hatte gerade "Der große Anarchisten-Zirkus" von Marco Lodoli gelesen und spürte, daß
derselbe Traum eines Tages auch hier im Dortmunder Underground wahr werden konnte,
wehte doch wenigstens schon jetzt ein liebervoller Wind aus Hoffnung und Naivität durch das
düstere Gewölbe des Cafe´ Banane.
So stehen wir heute vor einem Gebilde, in das viel Kraft und Vision von vielen Menschen
gesteckt wurde und das heute eine offene Plattform bildet; eine Plattform jenseits von Image,
Geld und Profilierungsgetue.
Du mußt nicht mal ehrlich sein; aber echt und vielleicht ein bißchen aufrecht; und manchmal,
aber nur manchmal, auch ein bißchen traurig. Eben nothing but the blues!
Und denen die geneigt sind, daraus mehr zu machen als es hergibt,
möchte ich zum Schluß mit einem Zitat begegnen aus dem irischen Film "Die Commitments":
(Darin ging es um eine Band, die mit viel Herzblut und sozialer Wärme gegründet wurde und schon nach einigen Auftritten sich wieder aufgelöst hatte.
Der alte Trompeter der Band traf danach den traurigen jungen Manager und Gründer der Band in einem schäbigen Hafengelände, legte seine Hand auf seine Schulter und sagte:)
"Wenn die Band Erfolg gehabt hätte, wäre sie eine Band wie jede andere gewesen.
So aber, ist es Poesie!"
Burkhard Weisz
Wie gings weiter mit dem Dortmunder Bluesstammtisch?
Wir hatten uns gerade so eingelebt im CAFE BANANE, eine MP3 Präsentation von unserem Herwig Schmitt füllte das Cafe bis zum Anschlag. So wäre es wohl auch weitergegangen, wenn nicht unser Freund und Mitbegründer LUTZ gestorben wäre.
Wir fielen in ein luftleeren Raum! Lutz war Freund, Partner und Treffpunkt Banane. Er war nicht da und wir hatten keinen Grund mehr zu einem Schwätzchen in die Banane zu gehen.
Um den Bluesstammtisch wieder anzuschieben überlegten wir nun mehr auf Livemucke zu setzen. Da das im Cafe Banane nicht möglich war endete das Kapitel Banane. Für uns ohne Groll, weil wir immer gut behandelt worden waren.
Aber wenn eine Tür zugeht.......
So landeten wir im TRÖDLER/EINSTEIN.
Christian der Wirt hatte uns Chaoten in sein Herz geschlossen und so gabs jetzt Livemusik und das jeden Monat.
Wir haben wunderbare Menschen kennengelernt die den BLUES lebten. Herausstellen möchte ich jetzt keine Band oder Aktion.
Unser techn. Direktor MARCO verzweifelte zwar des Öfteren über die Musikanlage aber irgendwie hat er es immer hingekriegt.
So hätte es ewig weitergehen können da das Publikum immer zahlreicher erschien.
Aber da ging mal wieder ne Tür zu......
Unser Wirt Christian musste das Lokal schließen. Jetzt war Panik angesagt.
Aber die Tür usw......
Wir lernten HANS NOWICKI vom LANGEN AUGUST in der Dortmunder Nordstadt näher kennen. So zogen wir mal wieder um!
Der Lange August war auch für unseren Lutz eine Heimat gewesen. So schloss sich auch dieser Kreis. Immer wenn wir im Langen August Konzerte veranstalten denke ich an ihn!
Das ist der Stand Dez. 2011
Euer Doc